Haus KoMeT: Wo Bewegung beginnt – und Leben neu gedacht wird


Wer das erste Mal vom „Haus KoMeT“ in Nordfriesland hört, stolpert womöglich über den Namen. Was sich dahinter verbirgt, ist lebensverändernd. KoMeT steht für „Konduktiv Mehrfach Therapeutisch“ und ist ein Zuhause für Menschen mit schwersten Mehrfachbehinderungen. Der innovative Ansatz bedeutet Empowerment und Teilhabe – und bietet weit mehr als nur Therapie.
In diesem Artikel lesen Sie:
- Ein persönlicher Anfang – mit professioneller Vision
- Ein Ort, an dem Lernen Bewegung bedeutet
- Innowalk Pro – Bewegung, die Leben verändert
- Ganzheitlich, individuell und alle immer im Team
- Und jetzt? Zukunft gestalten!
Ein persönlicher Anfang – mit professioneller Vision
Der Impuls für das Projekt „Haus KoMeT“ kam aus dem Leben selbst: „Mein Sohn kam durch einen Sauerstoffmangel schwer beeinträchtigt zur Welt“, erinnert sich Rebecca Albers, Gründerin und Geschäftsführerin. „Ich hatte vorher mit Behinderungen gar nichts zu tun – aber ich habe sofort gespürt: So, wie das läuft, kann es nicht richtig sein.“
Was sie damals störte, war das sogenannte additive Verfahren in der klassischen Therapie: Einzelne Maßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie werden nacheinander, getrennt voneinander und oft ohne Abstimmung durchgeführt. Für Rebecca Albers war klar: „So behandelt man kein Kind. Schon gar kein Kind mit solch hohem Unterstützungsbedarf.“
Die Alternative fand sie zufällig – über eine Zeitungsanzeige. Sie stieß auf die konduktive Förderung, ein in Ungarn entwickeltes Konzept, das Therapie und Pädagogik eng verzahnt. „Das hat mich sofort überzeugt“, sagt sie. „Dort arbeiten Menschen nach einem didaktischen Konzept, das den Lernprozess in den Mittelpunkt stellt – und nicht die Behinderung.“
Albers ließ sich ausbilden, unter anderem am renommierten András Pető Institut in Wien, und gründete 1992 eine erste Kerngruppe. 2022 eröffnete sie schließlich das eigene Haus: Haus KoMeT, mit Platz für neun Bewohner:innen und einem interdisziplinären Team.
Ein Ort, an dem Lernen Bewegung bedeutet
Im Haus KoMeT wohnen aktuell neun junge Erwachsene mit teilweise sehr schweren Mehrfachbehinderungen. Viele von ihnen gehören zum höchsten Schweregrad der Gross Motor Function Classification System (GMFCS-Level 5) – das bedeutet: keine eigenständige Fortbewegung, nicht einmal mit dem E-Rollstuhl.
Ich hatte Klienten, die gesagt haben: Ich fühle mich in meinem Körper wie in einem Gefängnis. Und genau da setzen wir an.
Doch im Haus KoMeT bedeutet das nicht Stillstand. Im Gegenteil. Hier beginnt jeder Tag mit einem Mobilisierungsprogramm. Es gibt Turnkreise, Bewegungseinheiten, Gruppenangebote – und vor allem: viele individuelle Geh- und Stehtrainings.
„Bewegung ist für uns kein Therapiepunkt. Bewegung ist ein Menschenrecht“, sagt Albers überzeugt. „Ich hatte Klienten, die gesagt haben: Ich fühle mich in meinem Körper wie in einem Gefängnis. Und genau da setzen wir an.“
Innowalk Pro – Bewegung, die Leben verändert
Ein zentraler Baustein des Konzepts ist der Innowalk Pro – ein bewegungstherapeutisches Trainingsgerät, das aufrechte, geführte Gehbewegungen ermöglicht, auch wenn die Nutzer:innen selbst nicht stehen oder gehen können. Im Gegensatz zu passiven Stehständern bringt der Innowalk Pro den ganzen Körper in Bewegung: Beine, Arme, Rumpf, Kreislauf – und mit ihm das Selbstgefühl.
„Der Innowalk Pro ist wie Schwimmen an Land“, beschreibt es Albers. „Unsere Klient:innen fühlen sich darin leicht, aufgerichtet, aktiv – sie erleben sich ganz anders.“
Was hier besonders ist: Der Innowalk Pro steht nicht isoliert in einem Therapieraum, sondern mitten im Gruppenraum.
„Derjenige, der im Innowalk Pro trainiert, soll Teil des Geschehens sein. Bewegung ist bei uns nie etwas, das im Hinterzimmer passiert. Es gehört zum Alltag dazu.“
Dabei geht es nicht nur um körperliche Effekte – auch wenn diese deutlich spürbar sind. „Wir sehen motorische Verbesserungen, mehr Ausdauer, mehr Gleichgewicht, bessere Haltung – aber vor allem sehen wir: Freude.“
Ein besonders berührendes Beispiel ist ein junger Mann mit einer seitenbetonten Beeinträchtigung der Arme.
„Früher hing seine linke Hand oft unbeteiligt herunter. Heute hält er sie von selbst an die Armpendeln. Ich muss nur rufen: Alex – linke Hand! – und zack, sie ist dran. Er korrigiert sich selbst. Das ist echte Entwicklung.“
In einem Umfeld, in dem motorische Erfolge oft klein und mühsam sind, sind solche Momente unbezahlbar.
Rebecca Albers hebt hervor, dass der Innowalk Pro nicht nur Training ist, sondern echte Prävention:
„Die gleichmäßige Bewegung im Stehen ist die beste Kontrakturprophylaxe, die ich kenne. Viele unserer Klient:innen haben Hüftproblematiken oder Asymmetrien – der Innowalk Pro hilft, diesen Entwicklungen früh entgegenzuwirken.“
Besonders positiv bewertet sie auch die Entlastung für das Team:
Ich kann einen Klienten nicht 45 Minuten händisch in Bewegung halten – der Innowalk Pro übernimmt das. Und zwar auf hohem Niveau. Das ist eine enorme Entlastung im Alltag.
Albers berichtet, dass das Team am Anfang Respekt vor dem Handling hatte, dies aber „reine Übungssache“ gewesen sei. Heute sind viele Mitarbeitende geschult, Transfers sind routiniert – der Innowalk Pro ist fester Bestandteil des Tagesplans.
Auch wenn das Haus KoMeT gut ausgestattet ist, begrüßt Albers das Konzept der Individualversorgung für zu Hause ausdrücklich.
„Ich denke da an einen jungen Mann aus Hamburg, der bei uns in der Intensivförderung war. Hätte er damals einen Innowalk für zu Hause gehabt, hätte das sein Hüftgelenksentwicklung vielleicht positiv beeinflusst.“
Auch die Anschaffung des Innowalk Pro Pro war eine besondere Geschichte mit schnellem Happy End:
„Es gab ein Klinikgerät zum Sonderpreis. Ich brauchte das Geld schnell – und der Förderverein hat innerhalb von 24 Stunden die Finanzierung gestemmt. Das war ein Geschenk. Der Innowalk Pro war sofort einsatzbereit.“
Seitdem ist er aus dem Alltag des Hauses nicht mehr wegzudenken.
Ganzheitlich, individuell und alle immer im Team
Das Besondere im Haus KoMeT ist das transdisziplinäre Arbeiten: Pflegekräfte, Pädagog:innen, Therapeut:innen und geschulte Assistenzen arbeiten eng zusammen. Rund die Hälfte des 22-köpfigen Teams ist konduktiv weitergebildet – alle neuen Mitarbeitenden durchlaufen eine Ausbildung zur Konduktiven Rehabilitationsfachkraft.
„Wir denken nicht in Berufsgrenzen“, erklärt Albers. „Bei uns zählen Haltung, Engagement und der Wille, gemeinsam zu lernen.“
Im Haus KoMeT wird außerdem nicht nur therapiert – hier wird gelebt. Es gibt einen großen Gemeinschaftsbereich, eigene Apartments, Musikräume, eine Küche, einen Garten, ein Gewächshaus. Ein Projekt für ein Erdtrampolin ist in Planung, ebenso wie ein Bogenschießplatz.
„Ich liebe das Trampolin“, sagt Albers lachend. „Es fördert nicht nur die Bewegung, sondern auch Sprache – und macht einfach Spaß.“
Auch sportliche Aktivitäten gehören dazu: Die Bewohner:innen nehmen regelmäßig am Stadtlauf Niebüll teil. Dieses Jahr sind sie 100 Meter gegangen – mit Hilfe, mit Stolz, mit Jubel.
Außerdem sind externe Gäste willkommen – zur Intensivförderung oder in Zukunft auch als Teil einer geplanten Eltern-Kind-Gruppe. „Ich möchte jungen Familien zeigen, was möglich ist. Und Mut machen.“
Und jetzt? Zukunft gestalten!
Was bleibt, ist ein Ort, der weit über klassische Pflege hinausgeht. Ein Modellprojekt für Inklusion, für professionelle Nähe und für das, was Therapie wirklich bedeuten kann: Freude, Teilhabe und Entwicklung.
Rebecca Albers denkt langsam an die Übergabe – aber ans Aufhören? Noch lange nicht.
„Ich werde kein zweites Haus bauen – das dürfen andere tun. Aber ich will das hier gut übergeben. Mit einem starken Team, mit frischen Ideen – und mit Menschen, die mit uns gehen wollen.“
Bei aller Begeisterung gibt es auch klare Worte: Das Haus KoMeT braucht Unterstützung!
„Wir brauchen dringend neue Mitarbeitende – Menschen, die Lust haben auf ein sinnstiftendes Arbeitsfeld, auf echte Veränderung im Leben anderer.“
Ob Pflegekraft, Therapeut:in, Pädagog:in – oder Quereinsteiger:innen mit Herz: Wer sich weiterbilden und wachsen will, ist hier genau richtig. Die Ausbildung zur Konduktiven Rehabilitationsfachkraft erfolgt betriebsintern, ist zertifiziert – und öffnet Türen für echte Entwicklung.
Denn im Haus KoMeT geht es nicht nur um Förderung. Es geht um das große Ganze. Um Lebensqualität. Um Würde. Und um Bewegung – im besten Sinne.
Ein herzliches Dankeschön an Rebecca Albers!

Thomas Schwarze ist Physiotherapeut und sammelte wertvolle Erfahrung in verschiedenen Praxen und Kliniken, bevor er zu Made for Movement kam. Seit fast zwei Jahrzehnten ist er nun im Unternehmen tätig, zunächst als Produktspezialist und Berater im Außendienst. Als Presales Manager arbeitet er mittlerweile eng mit dem Marketingteam und der Vertriebsleitung zusammen. In diesem Zusammenhang ist er stets auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Geschichten aus den Bereichen Hilfsmittelversorgung, Therapie und Rehabilitation.
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