Eine Physiotherapeutin arbeitet mit einem jungen Jungen in einem Fitnessraum, während sie seine Beine dehnt und stärkt.

27.10.2025Hüftüberwachung bei Cerebralparese

Rikke Damkjær Moen - Physiotherapeutin – Medical Manager

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Eine Hüftfehlstellung ist eine der häufigsten und bedeutendsten muskuloskelettalen Komplikationen bei Kindern mit Cerebralparese (CP). Mit ihr verbunden sind Schmerzen, eingeschränkte Funktionen, Schwierigkeiten bei der Hygiene und weniger Lebensqualität. Durch systematische Hüftüberwachungsprogramme kann eine fortschreitende Fehlstellung bis hin zur Luxation verhindert und der Bedarf an umfangreichen chirurgischen Eingriffen reduziert werden. 

Lesen Sie in diesem Artikel über:
- Warum tritt eine Hüftfehlstellung bei Kindern mit CP auf? 
- Wie häufig tritt eine Hüftfehlstellung bei Kindern mit CP auf? 
- Warum sind Hüftüberwachungsprogramme so wichtig?  
- Hüftüberwachungsprotokolle 
- Wie oft wird die Hüfte überwacht? 

Warum tritt eine Hüftfehlstellung bei Kindern mit CP auf?  

Die meisten Kinder mit Cerebralparese haben bei der Geburt eine völlig normale Hüftstellung. Die Probleme entwickeln sich erst im Laufe der Zeit, weil Muskeln und Knochen unterschiedlich wachsen und zusammenwirken. 

  • Ungleichmäßige Kräfte auf das Hüftgelenk: 
    Die Muskeln rund um die Hüfte können ungleichmäßig arbeiten und dadurch einen erhöhten Druck auf die Hüftpfanne ausüben. Mit der Zeit kann dies dazu führen, dass die Hüfte langsam aus ihrer Position rutscht. 
  • Spastik ist nicht die einzige Ursache: 
    Für viele Eltern sind verspannte oder steife Muskeln (Spastik) die Hauptursache. Hüftprobleme können jedoch auch bei Kindern mit geringer Muskelspannung auftreten. 
  • Die Körperposition spielt eine Rolle: 
    Kinder mit schwererer CP verbringen oft viel Zeit in derselben Position, besonders nachts in Seitenlage. Dadurch kann eine Hüfte dauerhaft nach innen gedrückt werden, was das Risiko einer Fehlstellung erhöht. 


Hüftfehlstellungen entstehen also meist durch eine Kombination aus Muskelungleichgewicht, Körperhaltung und Wachstum – nicht durch eine einzelne Ursache.
 

Lesen Sie: Warum entstehen Hüftprobleme und wie kann man vorbeugen? 


Wie häufig tritt eine Hüftfehlstellung bei Kindern mit CP auf? 

Hüftprobleme kommen bei Kindern mit Cerebralparese relativ häufig vor. In Ländern ohne Hüftüberwachungsprogramm – oder bevor solche Programme eingeführt wurden – entwickelten etwa 35 % der Kinder eine Hüftfehlstellung. 

Die Wahrscheinlichkeit hängt stark vom Schweregrad der motorischen Einschränkung ab, der im Gross Motor Function Classification System (GMFCS) beschrieben wird: 

  • GMFCS I–II: Kinder, die selbstständig laufen können, haben ein sehr geringes Risiko (< 5 %) 
  • GMFCS III: Kinder, die Gehhilfen benötigen, haben ein mittleres Risiko (15–30 %) 
  • GMFCS IV–V: Kinder, die überwiegend im Rollstuhl sitzen, haben das höchste Risiko (40–90 %) 


Da das Risiko mit abnehmender Mobilität steigt, sollte die Überwachung idealerweise ab dem Alter von 2 Jahren oder sobald der Verdacht auf CP besteht, beginnen – um frühe Anzeichen einer Fehlstellung zu erkennen, bevor Symptome auftreten. 

Warum sind Hüftüberwachungsprogramme so wichtig? 

Hüftüberwachungsprogramme bieten einen strukturierten und standardisierten Ansatz zur Beobachtung der Hüftentwicklung bei Kindern mit Cerebralparese. Routinemäßige klinische Untersuchungen werden mit radiologischen Vorsorgeuntersuchungen kombiniert. Dies hat sich als entscheidend erwiesen, um Hüftfehlstellungen und Luxationen zu verhindern. 

  • Früherkennung: 
    Hüftfehlstellungen entwickeln sich oft schleichend und verursachen anfangs keine Beschwerden. Durch regelmäßige Röntgenaufnahmen und Untersuchungen können selbst kleine Veränderungen früh erkannt werden, was das Risiko einer Luxation deutlich senkt. 
  • Schmerz- und Operationsvermeidung: 
    Eine frühzeitige Erkennung ermöglicht einfachere und weniger invasive Behandlungen. So lassen sich schmerzhafte Luxationen vermeiden und das Risiko aufwändiger rekonstruktiver Eingriffe verringern. 
  • Angepasst an die Mobilität des Kindes: 
    Die Häufigkeit der Kontrollen richtet sich nach den funktionellen Fähigkeiten des Kindes. Kinder, die selbstständig gehen, benötigen weniger Kontrollen, während Kinder im Rollstuhl häufiger überwacht werden. 
  • Nachgewiesene Wirksamkeit: 
    Erfahrungen aus nationalen Programmen – etwa in Schweden und Australien – zeigen eine deutliche Verringerung der Luxationsrate: von etwa 35 % ohne Überwachung auf unter 1 % bei strukturierten Programmen. 


Fazit: Hüftüberwachung ist ein wissenschaftlich belegter und kosteneffizienter Ansatz, der das Risiko von Hüftluxationen bei Kindern mit Cerebralparese erheblich senkt. Sie sollte als wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Versorgung betrachtet werden. 

Hüftüberwachungsprotokolle 

In vielen Ländern (z. B. Schwedens CPUP, Australiens Hip Surveillance Guidelines, Norwegens NorCP, Dänemarks CPOP sowie CPIP in Großbritannien/Irland) folgen die Programme ähnlichen Grundprinzipien. 

Klinische Untersuchungen 

Bei regelmäßigen Kontrollen prüfen Therapeut:innen und Ärzt:innen: 

  • Bewegungsumfang 
  • Schmerzen 
  • Muskeltonus 
  • Motorische Funktion 

Röntgenüberwachung  

  • Das Standardinstrument ist der Migrationsindex nach Reimers (MI), der anzeigt, wie viel Anteil des Hüftkopfes auf dem Röntgenbild nicht von der Pfanne bedeckt ist. 
  • Wichtige Schwellenwerte: 
      • MI > 30 %: Hüfte wird als „gefährdet“ eingestuft und erfordert engmaschigere Kontrolle 
      • MI > 40–50 %: Überweisung an eine orthopädische Praxis wird in der Regel empfohlen 

Dokumentation von Interventionen 

  • Operationen 
  • Botulinumtoxin-Behandlung 
  • Physiotherapie 
  • Orthesenversorgung 

Die genauen Untersuchungs- und Dokumentationsmethoden können je nach Programm leicht variieren. 

Wie oft wird die Hüfte überwacht? 

Dies hängt hauptsächlich vom GMFCS-Level des Kindes ab: 

  • GMFCS I–II: Basisuntersuchung; weitere Kontrollen nur bei Symptomen 
  • GMFCS III: Röntgenaufnahmen alle 12–24 Monate bis zum Wachstumsabschluss 
  • GMFCS IV–V: Jährliche oder häufigere Röntgenaufnahmen, beginnend etwa ab dem 2. Lebensjahr 


Kurz gesagt: Hüftüberwachungsprogramme helfen, Hüftprobleme frühzeitig zu erkennen, die richtige Behandlung zur richtigen Zeit einzuleiten und das Risiko schmerzhafter Luxationen oder großer Operationen später erheblich zu reduzieren. 

Quellen

Überwachungsprogramme


24-Stunden-Lagerungsmangement
Rikke Damkjær Moen - Physiotherapeutin – Medical Manager
Rikke Damkjær Moen - Physiotherapeutin – Medical Manager

Rikke Damkjær Moen bereichert das Made for Movement Team mit vielen Jahren Erfahrung als klinische Physiotherapeutin. Es ist ihre Mission, dafür zu sorgen, dass auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Möglichkeit erhalten, Freude und Gesundheit durch körperliche Aktivität zu erfahren. Als Medical Manager gibt Rikke Damkjær Moen ihr Wissen über die Lösungen von Made vor Movement gern weiter, damit Menschen mit besonderen Bedürfnissen, ihre Familien und Behandler die Möglichkeiten kennenlernen.