Röntgenbild der Wirbelsäule eines Jugendlichen mit sichtbarer Skoliose.

19.11.2025Skoliose bei Kindern mit Cerebralparese

Rikke Damkjær Moen - Physiotherapeutin – Medical Manager

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Skoliose ist eine häufige orthopädische Herausforderung für Kinder mit Cerebralparese, die für Familien oft schwer zu bewältigen ist. Veränderungen des Muskeltonus, der Körperhaltung und der Bewegung belasten die Wirbelsäule, die Hüften und das Becken während des Wachstums eines Kindes zusätzlich, weshalb eine frühzeitige Erkennung und Überwachung unerlässlich sind. 

Lesen Sie in diesem Artikel: 
- Was ist Skoliose und warum tritt sie bei CP auf?  
- Wie häufig kommt Skoliose vor und wer ist am stärksten gefährdet?  
- Wie sich Hüfte und Wirbelsäule gegenseitig beeinflussen 
- Wie Skoliose das Wohlbefinden, die Atmung und das tägliche Leben beeinträchtigen kann 
- Überwachung und frühzeitige Intervention 
- Wie sieht eine frühzeitige Überwachung in der Praxis aus? 
- Was bedeutet das für Eltern? 
- Behandlungsmöglichkeiten  

What is scoliosis and why does it happen in CP? 

Scoliosis means that the spine curves sideways instead of being straight. Children with cerebral palsy have significant risk of developing scoliosis and it is thought to be associated with: 

  • Muscle weakness 
  • Spasticity 
  • Poor trunk and muscle control  

These factors can cause the spine to bend or twist, especially as your child grows. The curve may start small but can gradually increase. 

How common is it and who is most at risk? 

Scoliosis is relatively common in children with CP, but the chances of developing it vary depending on each child’s movement abilities, posture, and daily positioning. 

Children at GMFCS levels IV and V, who have more difficulty sitting or walking independently, are at higher risk of developing scoliosis. This increased risk is mainly due to: 

  • Reduced trunk control 
  • Limited variety of movement throughout the day 
  • Difficulty maintaining an upright posture 

These factors make the spine more vulnerable to curving over time, especially during periods of growth. 

Other factors that may increase the risk include: 

  • Rapid growth spurts during puberty 
  • Weak trunk control or uneven muscle tone 
  • Hip displacement or pelvic tilt 
  • Poor or inconsistent seating support 

Gross Motor Function Classification System (System zur Klassifizierung der grobmotorischen Fähigkeiten, GMFCS 

Um besser zu verstehen, warum manche Kinder einem höheren Risiko ausgesetzt sind, ist es hilfreich zu wissen, wie die Mobilität bei Cerebralparese klassifiziert wird. Das GMFCS beschreibt, wie sich Kinder im Alltag bewegen und funktionieren – zu Hause, in der Schule und in ihrer Umgebung. 

Es konzentriert sich auf die regelmäßigen Aktivitäten des Kindes, nicht auf seine besten oder schwierigsten Momente.

Die Kinder werden einer von fünf Stufen zugeordnet, die nach Altersgruppen (inter 2,2-4,4-6,6-12 und 12-18 Jahre) beschrieben werden. Nachfolgend eine Zusammenfassung der Stufen für Kinder im Alter von 6-12 Jahren:

GMFCS I 
Geht in allen Umgebungen selbstständig und steigt Treppen ohne Geländer hinauf. 

GMFCS II 
Geht in den meisten Umgebungen und benutzt beim Treppensteigen ein Geländer. 

GMFCS III 
Benutzt in Innenräumen eine handgeführte Mobilitätshilfe und kann mit Hilfe und einem Geländer Treppen steigen. 

GMFCS IV 
Benötigt für die meisten Bewegungen im Alltag körperliche Hilfe oder ein motorisiertes Mobilitätshilfsmittel.  

GMFCS V 
Wird in allen Situationen in einem manuellen Rollstuhl transportiert und hat erhebliche Schwierigkeiten bei der Kontrolle von Kopf, Rumpf und Gliedmaßen. 

Illustration der fünf GMFCS-Stufen von I bis V mit zunehmendem Unterstützungsbedarf bei der Bewegung.

Wie sich Hüfte und Wirbelsäule gegenseitig beeinflussen 

Hüften, Becken und Wirbelsäule arbeiten zusammen, um den Körper aufrecht und im Gleichgewicht zu halten. Ist ein Teil ungleichmäßig oder überlastet, versuchen die anderen Teile in der Regel, dies auszugleichen. Bei Kindern mit Cerebralparese kann dieses Gleichgewicht gestört sein, was zu Veränderungen der Körperhaltung, des Sitzverhaltens, des Wohlbefindens und der Mobilität führt.  

Viele Kinder mit CP entwickeln eine Hüftverschiebung, bei der sich der Hüftkopf allmählich aus der Hüftpfanne verschiebt. Ist dies auf einer Seite stärker ausgeprägt als auf der anderen, kann dies zu einer Neigung des Beckens führen. Dieser Zustand wird als Beckenschiefstand bezeichnet.  

Untersuchungen zeigen, dass Hüftprobleme wesentlich zur Beckenneigung beitragen. Neigt sich das Becken, muss sich die Wirbelsäule krümmen, um den Körper aufrecht zu halten. Dies kann zu einer Skoliose führen, bei der sich die Wirbelsäule häufig weg von der hohen Seite des Beckens krümmt, da die Wirbelsäule versucht, das Gleichgewicht zu finden.  

Der Einfluss wirkt auch in die andere Richtung. Entwickelt sich zuerst eine Skoliose, insbesondere eine Krümmung der unteren Wirbelsäule: 

  • kann dies zu einer Fehlstellung des Beckens führen
  • sitzt das Kind möglicherweise stärker auf einer Seite, wodurch der Druck auf eine Hüfte erhöht wird
  • kann diese ungleichmäßige Belastung die Hüftverschiebung mit der Zeit verstärken

Wie Skoliose das Wohlbefinden, die Atmung und das tägliche Leben beeinträchtigen kann 

Bei Skoliose geht es nicht nur um das Aussehen der Wirbelsäule – sie kann auch das tägliche Wohlbefinden und die Funktionsfähigkeit des Kindes beeinträchtigen. 

Eine zunehmende Krümmung kann folgende Auswirkungen haben: 

  • Schwierigkeiten beim Sitzen oder bei der Körperhaltung 
  • Rückenschmerzen oder Hüftschmerzen 
  • Einschränkung der Atemkapazität in schweren Fällen 
  • Erschwerung der Körperpflege oder des Anziehens 

Überwachung und frühzeitig Intervention

Eine frühzeitige Überwachung ist eines der wirksamsten Mittel, um Skoliose bei Kindern mit Cerebralparese zu verhindern oder ihr Fortschreiten zu verlangsamen. Dies wurde in mehreren Überwachungsprogrammen für CP dokumentiert, darunter das schwedische CPUP-Programm (Cerebral Palsy Follow-Up Program). Es ist ein weltweit beispielhaftes Programm für eine systematische, langfristige Nachsorge, die die Hüften, die Wirbelsäule und die allgemeine Gesundheit des Bewegungsapparats von Kindern schützt. Der Erfolg des Programms liefert klare Anhaltspunkte dafür, wie Skoliose frühzeitig erkannt und behandelt werden kann, bevor die Krümmungen schwerwiegend oder dauerhaft werden.  

Obwohl der stärkste dokumentierte Effekt des CPUP in der Verringerung von Hüftluxationen liegt – von etwa 10 % auf nur noch 0,4 % –, steht dies im Zusammenhang mit Skoliose.  

Hüftverschiebung, Beckenasymmetrie und Rumpfhaltung hängen eng miteinander zusammen. Eine gute Positionierung der Hüften sorgt für eine stabilere, symmetrischere Basis für die Wirbelsäule.  

Eine frühzeitige Erkennung ist entscheidend, weshalb Kinder so früh wie möglich in Überwachungsprogramme aufgenommen werden sollten. Frühe Befunde, insbesondere an den Hüften und am Becken, treten oft auf, bevor eine Skoliose erkennbar wird. 

Wie sieht eine frühzeitige Überwachung in der Praxis aus? 

CPUP aus Schweden bietet einen praktischen Leitfaden für die frühzeitige Prävention von Skoliose. Die folgenden Grundsätze können in jeder klinischen Umgebung angewendet werden:  

Regelmäßige klinische Untersuchungen 

Kinder werden routinemäßig untersucht auf:  

  • Körperhaltung im Sitzen und Stehen  
  • Ausrichtung der Wirbelsäule, einschließlich Vorbeugungstests  
  • Symmetrie des Rumpfes  
  • Muskeltonus und Gleichgewicht  

Bei Veränderungen werden die Nachuntersuchungen intensiviert oder bildgebende Verfahren durchgeführt

Röntgenologische Überwachung, wennnötig

Bei Kindern, die Anzeichen einer Asymmetrie aufweisen oder einem höheren Risiko ausgesetzt sind (typischerweise GMFCS III–V), werden in bestimmten Abständen Röntgenaufnahmen angefertigt, um eine frühzeitige Wirbelsäulenverkrümmung oder Hüftverschiebung zu erkennen.  

Verfolgung des Funktionslevels mit GMFCS  

Der GMFCS-Grad eines Kindes gibt darüber Aufschluss.  

  •  wie oft es untersucht werden sollte
  •  welche Präventionsstrategien am relevantesten sind
  •  wann Orthopäden hinzugezogen werden sollten

Kinder mit höheren GMFCS-Stufen profitieren am meisten von einer engmaschigeren und häufigeren Nachsorge. 

Frühzeitige Nachsorge der Hüften und des Beckens 

Da Hüftprobleme und Beckenschiefstände oft vor einer Skoliose auftreten, werden regelmäßig folgende Punkte untersucht: 

  • Bewegungsumfang der Hüfte (insbesondere Abduktion) 
  • Prozentuale Hüftverschiebung (MP) auf Röntgenaufnahmen 
  • Ausrichtung des Beckens in verschiedenen Positionen

Ein starkes interdisziplinäres Team  

Prävention ist am wirksamsten, wenn Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Orthopäd:innen und das multidisziplinäre Team des Kindes zusammenarbeiten. Kleine Veränderungen lassen sich leichter angehen, wenn alle auf frühe Anzeichen achten.   

Standardisierte Messinstrumente 

Es sollten einheitliche, validierte Messprotokolle verwendet werden. Dadurch lassen sich selbst geringfügige Veränderungen leicht verfolgen und Behandlungspläne sofort anpassen.  

Fokus auf den Alltag 

Prävention findet nicht nur in Kliniken statt. Der Alltag ist wichtig:  

  • gestütztes, symmetrisches Sitzen  
  • richtige Rollstuhl- und Sitzanpassungen  
  • abwechslungsreiche Positionen (Sitzen, Stehen, Liegen) 
  • Erhalt der Muskellänge und -flexibilität 

Familien, Schulen und Therapeut:innen arbeiten zusammen, um unterstützende Routinen zu schaffen.  

Was bedeutet das für die Eltern? 

Wenn Ihr Kind an einem Programm teilnimmt, das sich an CPUP orientiert oder ein anderes strukturiertes Überwachungssystem nutzt, besteht eine reale Chance, Skoliose frühzeitig zu erkennen und Komplikationen zu verhindern, bevor sie schwerwiegend werden. 

Das können Sie tun: 

Achten Sie auf frühe Anzeichen 

Achten Sie auf: 

  • eingeschränkte Beweglichkeit in den Hüften 
  • ob sich Ihr Kind zu einer Seite neigt 
  • ungleichmäßige Sitzhaltung 
  • Veränderungen in der Passform der Kleidung 
  • Steifheit oder Beschwerden in bestimmten Positionen 

Diese Anzeichen sollten Sie dem medizinschen Fachpersonal mitteilen. 

Fördern Sie eine gute Körperhaltung und Positionierung 

Zu Hause und in der Schule: 

  • Sorgen Sie für eine angemessene Sitzunterstützung
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, im Laufe des Tages verschiedene Positionen einzunehmen.
  • Unterstützen Sie Ihr Kind beim Stehen oder gestützten Stehen, sofern dies verordnet wurde
  • Achten Sie auf Routinen, um die Mobilität und den Bewegungsumfang zu erhalten

Kleine tägliche Gewohnheiten helfen, die Wirbelsäule zu unterstützen.  

Bitten Sie um einen klaren Plan 

Ihr Team sollte Folgendes erklären:  

  • wie oft Ihr Kind untersucht wird 
  • wann Röntgenaufnahmen erforderlich sind 
  • welche Ziele mit der Physiotherapie verfolgt werden 
  • was passiert, wenn erste Anzeichen einer Skoliose auftreten 

Die beste Prävention entsteht durch die Zusammenarbeit von Eltern und Fachleuten. 

Behandlungsmöglichkeiten 

Die Behandlung hängt davon ab, wie stark die Krümmung ist und welche Auswirkungen sie auf das Leben Ihres Kindes hat.  

Zu den konservativen (nicht-chirurgischen) Ansätzen zählen:  

  • Haltungssitzsysteme: Maßgefertigte Stühle oder Kissen, die das Gleichgewicht und die Ausrichtung unterstützen
  • Stützkorsetts: Einige Kinder profitieren von speziellen Wirbelsäulenkorsetts, die für Komfort und Unterstützung entwickelt wurden 
  • Physiotherapie: Übungen zur Stärkung der Rumpfkontrolle und Verbesserung der Körperhaltung

Wenn sich die Krümmung weiter verschlimmert oder Schmerzen und Atemprobleme verursacht, wird Ihr Orthopäde möglicherweise chirurgische Optionen wie eine Wirbelsäulenfusion zur Begradigung und Stabilisierung der Wirbelsäule mit Ihnen besprechen. 
Eine Operation ist eine schwerwiegende Entscheidung, kann jedoch das Gleichgewicht beim Sitzen, das Wohlbefinden und die Lebensqualität erheblich verbessern. Das medizinische Team wird Sie ausführlich über die Risiken und Vorteile aufklären. 

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Referances: 

Yen W, Gartenberg A, Cho W. Pelvic obliquity associated with neuromuscular scoliosis in cerebral palsy: cause and treatment. Spine Deform. 2021 Sep;9(5):1259-1265. doi: 10.1007/s43390-021-00346-y. Epub 2021 Apr 16. PMID: 33861427. 

Casey J, Agustsson A, Rosenblad A, Rodby-Bousquet E. Relationship between scoliosis, windswept hips and contractures with pain and asymmetries in sitting and supine in 2450 children with cerebral palsy. Disabil Rehabil. 2022 Nov;44(22):6738-6743. doi: 10.1080/09638288.2021.1971308. Epub 2021 Sep 6. PMID: 34487468. 

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Helenius IJ, Viehweger E, Castelein RM. Cerebral palsy with dislocated hip and scoliosis: what to deal with first? J Child Orthop. 2020 Feb 1;14(1):24-29. doi: 10.1302/1863-2548.14.190099. PMID: 32165978; PMCID: PMC7043124. 

Hägglund G. Association between pelvic obliquity and scoliosis, hip displacement and asymmetric hip abduction in children with cerebral palsy: a cross-sectional registry study. BMC Musculoskelet Disord. 2020 Jul 14;21(1):464. doi: 10.1186/s12891-020-03484-y. PMID: 32664926; PMCID: PMC7362488.  

CPUP 

Rikke Damkjær Moen - Physiotherapeutin – Medical Manager
Rikke Damkjær Moen - Physiotherapeutin – Medical Manager

Rikke Damkjær Moen bereichert das Made for Movement Team mit vielen Jahren Erfahrung als klinische Physiotherapeutin. Es ist ihre Mission, dafür zu sorgen, dass auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Möglichkeit erhalten, Freude und Gesundheit durch körperliche Aktivität zu erfahren. Als Medical Manager gibt Rikke Damkjær Moen ihr Wissen über die Lösungen von Made vor Movement gern weiter, damit Menschen mit besonderen Bedürfnissen, ihre Familien und Behandler die Möglichkeiten kennenlernen.